Bürgerbeteiligung der Stadt Memmingen zum Bahnhofsareal (künftig: „Rosenviertel“):

Verdeutlichende und berichtigende Darstellung der Ergebnisse

 

von Jochen Diefenthaler | August 2020

Vorbemerkung

Beim Bürgerentscheid am 26. Mai 2019 sprach sich eine Mehrheit der Memmingerinnen und Memminger dafür aus, die Pläne des privaten Investors Ten Brinke zur Bebauung des Bahnhofsareals nicht weiter zu verfolgen, sondern ein neues Verfahren mit Beteiligungsprozess für die Bürgerinnen und Bürger und unter Begleitung eines unabhängigen Fachgremiums durchzuführen.

Im Rahmen des daraufhin von der Stadt Memmingen eingeleiteten Beteiligungsverfahrens fanden unter Anderem im Herbst 2019 eine erste Onlinebefragung, am 8. Februar 2020 eine erste Themenwerkstatt und im Mai/Juni 2020 eine zweite Onlineumfrage, genannt „virtuelle zweite
Themenwerkstatt“, statt.

Die Ergebnisse der ersten Onlinebefragung und der ersten Themenwerkstatt wurden von der Stadt Memmingen (wie auch die Ergebnisse der Auftaktveranstaltung vom 6. November 2019) jeweils in einem eigenen Dokument im Internet veröffentlicht. Zur Darstellung der Ergebnisse
verwendeten das Planungsbüro Haines-Leger und die Stadt Memmingen in den Dokumenten Diagramme aus mehreren nebeneinander stehenden farbigen Balken.

In der gewählten Darstellungsform ist es nicht einfach, die Ergebnisse der verschiedenen Antworten anhand des optischen Eindrucks miteinander zu vergleichen, weil sich zustimmende und ablehnende Stimmen jeweils auf zwei Kategorien verteilen (zum Beispiel die Zustimmung auf „Sehr wichtig“ und „Wichtig“ und die Ablehnung auf „Unwichtig“ und „Überhaupt nicht wichtig“).

Die Stadt Memmingen und das Planungsbüro stellten die einzelnen Diagramme einer Rubrik regelmäßig in voneinander abweichenden Maßstäben dar. Sehen Sie hier die ersten drei Diagramme zu der Frage, wie die Teilnehmenden verschiedene Aspekte des Investorenentwurfs von Ten Brinke bewerten.

Vergleichen Sie die auf gleicher Höhe liegenden obersten horizontalen Linien der Diagramme:
Im ersten Diagramm entspricht diese Linie einem Zahlenwert von ungefähr 160 Stimmen, im zweiten Diagramm ca. 140 Stimmen und im dritten Diagramm etwa 180 Stimmen. Besonders schwerwiegend ist die Auswirkung des abweichenden Maßstabs in der Darstellung der Nutzungen, die sich die Befragten für das Bahnhofsareal wünschen.
Vergleichen Sie die vorstehenden Diagramme (von Seite 16 des Dokuments „Ergebnisse der Online-Beteiligung“): 267 Stimmen für Wohnen sind kleiner dargestellt als 196 Stimmen für Einzelhandel!

Ich weiß nicht, weshalb unterschiedliche Maßstäbe gewählt wurden.

Um den Stadträtinnen und Stadträten und der interessierten Öffentlichkeit die Auswertung der Bürgerbeteiligung zu erleichtern, stelle ich die Ergebnisse in diesem Dokument in einem Format dar, das einen Vergleich anhand der grafischen Darstellung „auf einen Blick“ erlaubt.

Ich stelle die Ergebnisse jeweils in einem Farbbalken dar, der die prozentualen Anteile der für verschiedene Antwortmöglichkeiten abgegebenen Stimmen wiedergibt. Da sich die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen zwischen den einzelnen Diagrammen eines Abschnitts kaum unterscheidet, scheint mir die prozentuale Darstellung eine geeignete Darstellungsform zu sein.

Das Diagramm „Sonstiges“ habe ich jeweils nicht ausgewertet, weil hier jeweils nur ein Teil der Befragten abstimmte und die Frage von Vielen übersprungen wurde.

Die Reihenfolge der Diagramme orientiert sich in meiner Darstellung am Anteil der ablehnenden (Kritik am Ten-Brinke-
Entwurf) bzw. zustimmenden (sonstige Bereiche) Stimmen.

Bei der ersten Themenwerkstatt am 8. Februar 2020 wurden Vorschläge für einen neuen Namen für das Bahnhofsareal gesammelt.
Aus der sich anschließenden Online-Abstimmung ging der Begriff „Rosenviertel“ als Favorit hervor.
Deshalb bezeichnet die Stadt Memmingen das Gebiet seither als „Rosenviertel“.

Ergebnisse der ersten Online-Beteiligung im Herbst 2019

In der ersten Online-Beteiligung im Herbst 2019 wurden die Teilnehmenden gefragt, wie sie den Entwurf des Investors Ten Brinke bewerten. Die Befragten stehen der Konzeption von Ten Brinke mehrheitlich skeptisch gegenüber:

Wie fanden Sie den Entwurf des Investors Ten Brinke, der im Mai 2019 zur Wahl stand?

Die meisten Teilnehmer beantworteten die Frage; 16 % übersprangen die Frage:

Wie beurteilen Sie den Entwurf von Ten Brinke bezogen auf…

Anschließend wurden die Teilnehmenden gebeten, einzelne Aspekte des Entwurfs zu bewerten:

Es ist erkennbar, dass den Befragten vor Allem der zu geringe Anteil des Wohnraums und die Nutzungsmischung missfielen.

Von den Kommentaren zum Investorenentwurf gebe ich hier beispielhaft einige wieder:

„Stadtentwicklung darf nicht nur gewinnorientiert sein. Verschiedene Interessen- und Altersgruppen müssen berücksichtigt werden“

„Keine schlüssige Verkehrsplanung, kein Einbeziehen des Umfeldes, zu großer Supermarkt, zu wenig Wohnraum“

„Hohe Verkehrsbelastung durch Supermarkt, wenig Sozialwohnungen, keine Verbindung zwischen Bahnhof und Altstadt“

„Infrastruktur war nicht durchdacht, wenig Berücksichtigung von Grünflächen, zu viel Gewerbe und zu wenig Wohnflächen.“

„Viel zu großer Supermarkt, es fehlen: Innenhöfe, Räume für Begegnungen, soziales Konzept, Verkehrsberuhigung“

„Es war viel zu sehr auf die Interessen des Investors ausgerichtet. Seitens der Stadt bestanden nahezu keine konkreten Vorgaben. Die unmittelbare Umgebung wurde nicht berücksichtigt. (…)“

„Gestalterisch wirkte der Entwurf (insbesondere der Hotelbau) wie eine Mauer entlang der Bahnhofsstraße, obwohl diese doch als Boulevard mit Bahnhof, MeWo Kunsthalle und Stadteingang / Maximilianstraße einladend und offen wirken sollte. Da sich ein erheblicher Teil des Areals in der Altstadt befindet, sollte deren Maßstäblichkeit und zugleich das gründerzeitliche Ensemble nördliche Bahnhofsstraße beachtet werden“

Die Zusammenfassung der Kommentare berichtet:

„Häufig wurde der geplante Supermarkt im Erdgeschoss kritisiert, da in unmittelbarer Nähe bereits ein Rewe-Center erbaut wurde. Des weiteren wurde auch das einhergehende Verkehrskonzept bemängelt, denn durch den geplanten Supermarkt wäre es zu einer weiteren Belastung der Bahnhofsstraße gekommen. Darüber hinaus missfiel auch, dass eine zu starke Gewichtung auf die gewerbliche Nutzung gelegt wurde. Die Befragten hätten sich eine stärkere Fokussierung auf den Wohnraum gewünscht.“

 

Weitere Fragen der ersten Onlinebeteiligung waren:

Welche Nutzungsarten im neugestalteten Bahnhofsareal halten Sie für besonders wichtig?

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Von den Kommentaren zum Investorenentwurf gebe ich hier beispielhaft einige wieder:

„Wohnen in der Altstadt, damit irgendwann die vielen leer stehenden Einzelhandelsflächen wieder zum Leben erwachen.“

„Bezahlbarer Wohnraum für mehrere Generationen, guter Mix von Einzelhandel.“

„Hotellerie nicht. Einzelhandel, z. B. Spielwarengeschäft, Café mit Innenraum, aber kein Supermarkt und keine großen Fachmärkte. Zukunftsorientiertes, altersgerechtes Wohnen wäre wichtig.“

„Treffpunkte für Menschen aller Generationen, für gutes und schlechtes Wetter (…)!“

„Zukunftsweisendes Bauen: Begrünte Freiflächen; Innovatives Bauen: begrünte Fassaden als Aushängeschild einer modernen Stadt gleich gegenüber vom Bahnhof.“

„Ich wünsche mir ein „Bürgerhaus“ für Veranstaltungen, Kultur, etc. in Eigenverwaltung der Bürger. Nicht eine Kneipe mit Festsaal.“

„Dass auch nicht kommerzielle Nutzungsmöglichkeiten entstehen. Freiräume für kulturelle und kreative Zusammenkünfte.“

„Lebendige Mischung: Wohnen, kleiner (!) Supermarkt; ggf. Bäcker oder Café bzw. Gastronomie, Spiel- und Sitzplätze; Blumengeschäft, Mehrzweckräume für Begegnungen, also Ausstellungen, Vorträge, Programmkino, Kleinkunst.“

„Vor allem auch Angebote, die es fast nur im Gewerbegebiet Nord oder Süd gibt: Elektroartikel, Gartengestaltung, Supermarkt wie Feneberg/Kaufmarkt oder V-Markt.“

„Von allen Angeboten ist bereits genügend vorhanden. Zusätzlicher Wohnraum in Verbindung mit Grünflächen und z. B. teilweise restaurierter Stadtmauer würden ein phantastisches Erscheinungsbild ergeben. Die vom Einzelhandel „bejammerte“ Situation hat einzig und allein mit der Reduzierung der  Wohnungen im Altstadtbereich zu tun. Praxen, Büros und dergleichen bringen der Kaufkraft, die in einer Altstadt besteht, überhaupt nichts. Der Bürger, der in der Altstadt lebt, geht auch dort einkaufen. Umgekehrt bedienen sich in der Peripherie lebende Menschen nicht der Geschäfte für den Bedarf des täglichen Lebens in der Altstadt. Hier ist ein Umdenken erforderlich (…).“

„Innovativ zeigen; nachhaltige Stadtbaukonzepte mit Grünflächen, Wohnen, ökologischem Bauen, Fahrradstadt usw.“

„Freundliche Gestaltung, die sich (…) den Kubaturen der Altstadt anpasst und wichtige Denkmäler erhält. Einbeziehen des Umfelds mit Kunsthalle und Bahnhof.“

Welche Aspekte sind Ihnen bei der Neuplanung besonders wichtig?

Bei der Beantwortung dieser Frage kam deutlich zum Ausdruck, dass die Befragten eine stufenweise Entwicklung durch mehrere Investoren oder Eigentümer für den geeigneten Weg halten:

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Die Bedeutung sonstiger Aspekte stuften die Befragten wie folgt ein:

Auch zu dieser Frage eine Auswahl der Kommentare:

„Verwirklichung durch die MEWO bei Änderung der Genossenschaftsphilosophie und Fungierung als Bauträger mit Verkauf an Einzelinvestoren.“

„Nicht nach der Rendite schielen, sondern dem Quartier Zeit geben, sich zu entwickeln – stufenweise Entwicklung! Das ist mir meine Stadt wert, keine Schnellschüsse.“

„Erhalt einzelner alter Fassaden und Häuserformen z. B. die zwei Häuser in der Maximilianstraße. Häuserformen individuell. Keine lange Reihe einheitlicher Fronten. Höhe, Breite, Dachformen unterschiedlich. Z. B. die drei renovierten Häuser am Marktplatz gegenüber dem Steuerhaus. Drei Farben, Formen… Schaut doch toll aus!“

„Gut beleuchtetes Areal. Kein Gebäude für Firmen, Büros, etc. Wirklich den Wohnraum und die Ladenflächen für kleinere Geschäfte im Auge behalten. Design? Tobt euch ruhig mal aus. Mut zur Veränderung!“

„Architektur, die sich dem Stadtbild anpasst, aber auch mit Einbeziehung moderner Elemente. Mehrgenerationshaus.“

Offene Fragen

Eine Auswahl von Fragen, die Teilnehmer/innen in der ersten Online-Beteiligung einbrachten:

„Besteht die Möglichkeit, dass MeWo und Siebendächer das Projekt gemeinsam stemmen, sodass alles in Memminger Hand bleibt?“

„Hat die Stadtverwaltung vor, diese Grundstücke zu verkaufen und damit für immer dem Eigentum der Bürger zu entziehen oder diese zur Vermeidung überzogener Spekulationen ausschließlich in Erbpacht zu vergeben, wie viele andere deutsche Städte auch?“

„Steht die Verwaltung und Politik hinter einem Architektenwettbewerb oder soll weiterhin das Areal an einen Großinvestor vergeben werden, der dann die Gestaltung und Nutzung vorgibt?“

„Was spricht gegen ein kleinparzelliertes, aber in sich abgestimmtes Konzept durch mehrere Bauträger/Eigentümer/Erbbauberechtigte?“

„Bekommt die Bürgerschaft im Gegenzug für das Abtreten ihres Eigentums im Gegenzug ein Bürgerhaus o. ä., in dem bei Selbstverwaltung Kultur und soziales Zusammenkommen möglich sind, ohne dafür bezahlen zu müssen (wie andere Städte es haben, so z. B. Biberach)? – Wenn nicht: Was bekommt die Bürgerschaft denn dann überhaupt dafür, ein Filetstück abzugeben?“

Ergebnisse der ersten Themenwerkstatt am 8. Februar 2020

Auf Seite 10 der Dokumentation der Stadt Memmingen über die Ergebnisse der ersten
Themenwerkstatt am 8. Februar 2020 ist Folgendes zu lesen:

Ich wunderte mich über die Aussage, „Wohnen“ belege bei den gewünschten Nutzungen nur den vierten Platz.

Deshalb wertete ich die in der Dokumentation der Stadt wiedergegebenen Plakate selbst aus (die Plakate der Gruppe 8 wertete ich nicht aus, da sie fast völlig leer waren). Meine Ergebnisse in Tabellen- und Diagrammform:

Welche Nutzungen brauchen wir in der Memminger Altstadt?

Welche der genannten Nutzungen passen zum Neuen Bahnhofsareal?

Ich komme also zu wesentlich anderen Ergebnissen als die Stadt Memmingen bzw. das Büro Haines-Leger. Mit ein Grund könnte sein, dass mehrere Gruppen durch Pfeile andeuteten, dass Einträge aus anderen Feldern in das Feld der auf dem Bahnhofsareal gewünschten Nutzungen übernommen werden sollten sowie, dass ich jeweils das gesamte Plakat auswertete und deshalb auch Einträge in den Feldern „Detaillierung“ und „Die drei wichtigsten Aspekte“ berücksichtigte.

Die wichtigsten Anregungen und Wünsche der Arbeitsgruppen zu den verschiedenen Nutzungen:

Wohnen

unterschiedliche bezahlbare Wohnungen
50 bis 100/120 Wohnungen
50 % der Nutzfläche (Gruppe 1)

modernes Wohnen für Jung und Alt
hohe Qualität, aber kein Luxus (Gruppe 2)

Wohnen abseits der Bahnhofstraße
eher kleinere Wohnungen (1-3 Zimmer) (Gruppe 3)

klarer Vorrang für und Schwerpunkt auf bezahlbarem Wohnen barrierefrei/seniorengerecht
genossenschaftlich
unterschiedliche soziale Gruppen und Altersgruppen
(Gruppe 4)

bezahlbarer Wohnraum (kleine Wohnungen) (Gruppe U1)

gesunde Durchmischung (Gruppe 6)

mindestens 60 % der Nutzfläche für Wohnen
Mehrgenerationenhäuser, junge Familien, Alleinstehende (Gruppe 7)

Hotel
Low Budget Hotel (Gruppe 1)
Gastronomie

gute Gastronomie (Italiener) (Gruppe 1)

klein und schön; Biergarten (Gruppe 2)

kleine gemütliche Cafés (Gruppe 3)

evtl. Bäckerei mit Stehcafé (Gruppe 4)

buntes Angebot, z. B. Wiederbelebung „Goldenes Rad“
(Gruppe 6)

bezahlbar, ganztägig, lange offen (Gr. 7)

Freiflächen/Grünflächen

allgemein zugängliche öffentliche Flächen
(Gruppe 1)

(Wohnen) mit Gemeinschafts-/ Grünflächen/Spielplatz für Kinder
Baumallee entlang der Bahnhofstraße
Grünstreifen durch Rückführung der Baulinie auf Stadtmauerlinie (Gruppe 2)

Kultur und Freizeit

Bildungsräume (VHS)/Bürgerhaus (Gruppe 2)

Veranstaltungsraum wie Kulturwerkstatt, zu mieten für alle (Gruppe 4)

Einzelhandel

min. 1 Frequenzladen ca. 500 m²; daran angelagert kleinere Ladeneinheiten – oder Zusammenschluss mehrerer Einheiten in Gemeinschaftsfläche / Memminger „Mall“ (Gruppe 1)

kein großflächiger Einzelhandel
kleiner „Feneberg“ (Tagesbedarf) und/oder Markthalle
(Gruppe 2)

Alles, um sich fußläufig versorgen zu können
Fischgeschäft, Blumenladen (Gruppe 3)

kein großflächiger Supermarkt oder Ähnliches
lieber Fachgeschäfte
Lebensmittelnahversorgung: Fenebergstandort zu klein > Umzug ins Bahnhofsareal?

einzelne Fachgeschäfte statt großen Anbietern im Gewerbegebiet (Gruppe 4)

Mode, „unverpackt“, Floristik, Reisebedarf, Einkaufszentrum, Elektro (Gruppe U1)

Lebensmittel-Nahversorgung (Gruppe 6)

Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel (kleiner Feneberg)
verpackungsfrei einkaufen (Gruppe 7)

Dienstleistung

Standortpotential ausschöpfen, z. B. Facharztpraxen für alle/Umland (Gruppe 1)

medizinische Dienstleistungen
Car-Sharing-Angebot/Leihräder (Gruppe 3)

Büros und Praxen im richtigen Maß (Gruppe 4)

Carsharing, E-Bike-Verleih (Gruppe U1)

Medizinisches Versorgungszentrum/Ärztehaus (Gruppe 7)

Allgemein / Sonstiges

einladendes, lebendiges Quartier
Vielfalt
grundsätzliches Konzept für die Verkehrsführung!
(Gruppe 1)

hohe Aufenthaltsqualität; zukunftsorientiert
(Klimawandel, Altersstruktur)
(Gruppe 2)

lebendig, freundlich und offen
zukunftsweisend
Mobilitätskonzept!
Fahrrad-Parkhaus (Gruppe 3)

Co-Working-Space (fehlt!) (Gruppe 6)

Schließfächer
ökologische Bauweise
Offenheit, Nachhaltigkeit, Energiekonzept
(Gruppe 7)

Die Dokumentation der Stadt fasst zusammen:

„Wichtig ist den Teilnehmenden besonders das Aufgreifen der städtebaulichen Bezüge und eine vielfältige Nutzung, wobei der Wunsch nach Wohnen am deutlichsten formuliert wurde. Darüber hinaus erhoffen sich die Bürgerinnen und Bürger einen behutsamen Umgang mit Grundstücksverkäufen, bzw. Vergabe in Erbbaupacht. Auch ein neues Verkehrskonzept für die angrenzende Bahnhofstraße wird im Rahmen der Neuplanungen erwünscht. Bezüglich des Einzelhandels gibt es unterschiedliche Ansätze, jedoch hat sich keine Gruppe positiv für einen großflächigen Supermarkt ausgesprochen.“

Zielformulierung durch die Stadt Memmingen im
Rahmen der zweiten Onlinebefragung

(genannt „virtuelle Themenwerkstatt“)

Im Mai/Juni 2020 führte die Stadt Memmingen eine zweite Onlinebefragung durch, die sie „virtuelle Themenwerkstatt“ nannte.

Sie können die zweite Onlinebefragung unter dem Menüpunkt „Zweite Onlinebefragung“ einsehen.

Inhalt der Onlinebefragung war, dass zu verschiedenen Themen jeweils Ergebnisse der Bürgerbeteiligung, Meinungen der von der Stadt beauftragten Planungsbüros sowie ein Ziel der Stadt dargestellt wurden und am Ende ein Formulierungsvorschlag zu dem behandelten Thema für die Auslobung eines Wettbewerbs vorgegeben wurde.

Die Teilnehmenden konnten den Grad ihrer Zustimmung oder Ablehnung des Formulierungsvorschlags mitteilen, indem sie eine von vier Antworten auswählten:

Abgesehen von einem einzigen Kommentarfeld hatten die Teilnehmer/innen keine Möglichkeit, inhaltliche Entscheidungen zu treffen oder Anregungen einzubringen.

Das Stadtplanungsamt schrieb in seiner Einladung zu der zweiten Onlinebefragung:

„Aufbauend auf den Ergebnissen der bisherigen Beteiligungen zum Rosenviertel hat die virtuelle 2. Themenwerkstatt nun den Schwerpunkt, die Eckpunkte für die Auslobung des Wettbewerbes zu erarbeiten.“

Nach meiner Wahrnehmung war die Onlinebefragung nicht geeignet, die Eckpunkte für die Auslobung des Wettbewerbes „zu erarbeiten“: Die  Formulierungsvorschläge waren alle bereits vorgegeben und die Teilnehmenden konnten nur Zustimmung oder Ablehnung ausdrücken, ohne jedoch zu den einzelnen Themen mitteilen zu können, was sie wünschten.

Für die Nutzungsart „Wohnen“ formulierte die Stadt ihr Ziel und die Ansicht des Planungsbüros wie folgt:

Als Formulierungsvorschlag wurde vorgestellt:

Einige Formulierungen möchte ich verdeutlichend hervorheben:

„Ein gemischt genutztes Viertel beinhaltet (…) auch die Nutzung Wohnen.“

„Wohnen im Rosenviertel ist (…) in gewissem Umfang sinnvoll.“

„Ziel ist es auch, auf dem Rosenviertel Wohnungen entstehen zu lassen…“

Für die Nutzungsarten „Einzelhandel“ und „Dienstleistung“ wurden das Ziel der Stadt und die Ansicht der von der Stadt beauftragten CIMA Beratung + Management GmbH folgendermaßen dargestellt:

Als Formulierungsvorschlag wurde vorgestellt:

Folgende Formulierungen seien hervorgehoben:

„Zielgruppe für die künftige Handelsnutzung (…) sind die Bewohnerinnen und Bewohner der Altstadt, aber auch Kundinnen und Kunden darüber hinaus.“

„Welches Einzelhandelspotenzial der Standort (…) bietet, soll im Vorfeld der Auslobung des Wettbewerbs ein Gutachten zeigen (…).“

„(…) die einmalige Chance, mit einem eher größerflächigen Verkaufsflächenangebot weitere Einzelhandels- bzw. Versorgungsmagneten (…) zu gewinnen (…)“

Die hier wiedergegebene Ansicht der CIMA Beratung + Management GmbH stellte Frau André als deren Vertreterin auch in ihrer Präsentation auf der Themenwerkstatt am 8. Februar 2020 in der Stadthalle vor.

Es kam deutlich zum Ausdruck, dass die an der Entwicklung des Bahnhofsareals bzw. Rosenviertels interessierten Bürgerinnen und Bürger vor Allem zwei Dinge anders wünschen als es der private Investor Ten Brinke in seiner Planung vorgesehen hatte:

Sie wünschen einen klaren Vorrang der Nutzungsart „Wohnen“ und die Verwendung des größten Teils der Nutzfläche für Wohnungen sowie das Zurücktreten der gewerblichen Nutzung zugunsten der Wohnfläche.

Und sie wollen keinen großen Supermarkt und keine sonstige groß dimensionierte Einzelhandelsfläche, für die ein großer Teil der zur Verfügung stehenden Grundfläche versiegelt werden muss und den anderen Nutzungsarten verlorengeht.

Auch eine Zunahme des motorisierten Verkehrs auf der Bahnhofstraße durch die Kunden eines großen Marktes wird kritisch gesehen.

Ich möchte ergänzend darauf aufmerksam machen, dass die CIMA Beratung + Management GmbH zwar stark gegen kleinere Ladenflächen argumentiert, dass diese andererseits aber neben einer Verwendung für Dienstleistungen die „natürliche“ Nutzungsart für unmittelbar an die Straße angrenzende Erdgeschossflächen darstellen, da in der zentralen Lage an größeren Straßen eine Nutzung des Erdgeschosses für Wohnen ausscheidet.

Die Zielformulierungen der Stadt und der von ihr beauftragten Planungsbüros sowie die vorgegebenen Formulierungsvorschläge bringen das vorstehend Genannte nicht zum Ausdruck.

Sie widersprechen sogar eindeutig den von den Bürgerinnen und Bürgern geäußerten Wünschen.

Ich befürchte, dass das erwähnte Gutachten zum Einzelhandelspotenzial des Standorts, welches von der Stadt Memmingen beauftragt werden soll, die geäußerten Ansichten der Auftraggeberin bestätigen wird. Es könnte anschließend von der Stadt als Argument zur Durchsetzung der geäußerten Ansichten verwendet werden.

Nach meiner Einschätzung entspräche die Planung des Investors Ten Brinke den Vorgaben, die die Stadt Memmingen als Formulierungsvorschläge für den Wettbewerb in der zweiten Onlineumfrage vorstellte. Doch genau diese Planung wollten die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich nicht.

Bei einer Verwendung der vorgegebenen Formulierungsvorschläge würden die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung deshalb nach meiner Wahrnehmung nicht angemessen berücksichtigt.

Ich bitte die Stadträtinnen und Stadträte, sich diese Zusammenhänge bewusst zu machen und sich dafür einzusetzen, dass die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger beachtet werden.

Die interessierten Bürgerinnen und Bürger möchte ich ermutigen, einzufordern, dass die geäußerten Wünsche in das weitere Verfahren angemessen Eingang finden.

Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Vorgaben für den folgenden Wettbewerb so formuliert werden, dass sie die Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger wiedergeben. Ein Mindestanteil der Wohnfläche und eine Obergrenze für die gewerblich bzw. durch Einzelhandel genutzte Fläche sowie eine Maximalgröße für einen evtl. Nahversorger/Supermarkt sollten festgeschrieben werden.

Im kürzlich vom Stadtrat unter Bezugnahme auf die Memminger Bauernartikel von 1525 verabschiedeten „Memminger Manifest“ heißt es:

„Deswegen stellt sich Memmingen als „Stadt der Freiheitsrechte“ mit ihren Bürgerinnen und Bürgern in besonderer Weise der Aufgabe, die damaligen Anliegen der Bauern in unsere moderne, pluralistische Gesellschaft zu übertragen: (…) Wir beteiligen alle Menschen an der Stadtpolitik. Die Stadt Memmingen entwickelt für alle kommunalen Aufgaben neuartige und direkte Formen der Teilhabe und steigert Transparenz und Verständlichkeit
in den Entscheidungsprozessen.“

Es wäre schön, wenn dies bezogen auf das Bahnhofsareal/Rosenviertel nicht nur ein Lippenbekenntnis wäre, dem die gelebte Praxis widerspricht, sondern wenn das Bekenntnis auch seinem Geist nach gelebt würde.